Hattingen/Ruhr.
Kompost wird in den grauen Schotter geharkt, die Motorhacke rattert
über die vorbereitete Fläche, in Eimern warten Blumenzwiebeln und
eine Blumensamenmischung auf ihren Einsatz: Auf der Verkehrsinsel an
der Johannessegener Straße Ecke Hackstückstraße sieht es nach
Arbeit aus – und tatsächlich entsteht hier ein Beispiel für die
Zukunft der städtischen Grünflächen.
Mit
einem neuen Pflegekonzept geht die Stadt Hattingen neue Wege im
ökologischen Grünflächenmanagement. Im Mittelpunkt steht die
naturnahe Gestaltung von Flächen, die sowohl Klimaschutz als auch
biologische Vielfalt fördern. Zur praktischen Umsetzung werden die
Mitarbeitenden der Stadtbetriebe umfassend geschult.
Die
Schulungen werden von Naturgartenplanerin Tessa Beumer durchgeführt,
die das neue Pflegekonzept für die Stadt Hattingen erstellt hat. Am
10. September fand im Holschentor der erste theoretische Teil statt.
Am 21. September wurden die Verkehrsinseln vorbereitet: Der
bestehende Bewuchs sowie die Erde wurden entfernt und durch eine rund
30 Zentimeter dicke Schicht aus mineralischem
Substrat ersetzt.
Am 25. September folgte nun die erste praktische Schulung vor Ort.
Dort wurde Kompost in das mineralische Substrat eingearbeitet,
Blumenzwiebeln wurden gesetzt, die Blumensamenmischung eingesät und
alles wurde angewalzt.
„Die
Verwendung von Schotter wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich,
weil klassische
Schottergärten in Privatgärten
nicht erlaubt sind“, erklärt
Miriam Lambert, Agrarbetriebswirtin
beim Fachbereich Stadtbetriebe
der Stadt Hattingen. „Der entscheidende Unterschied liegt in
der uneingeschränkten
Versickerungsfähigkeit, der Zusammensetzung des Substrats, der
flächigen Begrünung und der
Art der Nutzung: Magere, nährstoffarme Materialien
bieten ideale Bedingungen für eine große Artenvielfalt. Viele
Insekten – darunter nicht nur Schmetterlinge und Wildbienen,
sondern auch Käfer und Kleinsttiere – finden hier Nahrung und
Lebensraum.“
Auf
den vorbereiteten Flächen können sich standortgerechte Wildpflanzen
langfristig gegen konkurrenzstarke Gräser durchsetzen. Dadurch
entstehen blühende Inseln, die langfristig
pflegeleicht sind und gleichzeitig einen Beitrag zum Stadtklima
leisten. Während künstliche Schottergärten nahezu ausschließlich
aus Steinen bestehen und Hitze speichern, sorgen die naturnah
bepflanzten Flächen durch Verdunstung für Kühlung und ein
verbessertes Mikroklima. Außerdem verzichtet die Stadt auf Folien im
Untergrund – Mikroplastik wird so vermieden und die Bodenlebewesen
bleiben geschützt.
Das
Pflegekonzept ist Teil des Förderprogramms „Natürlicher
Klimaschutz in Kommunen“, mit dem die Stadt Hattingen knapp 1,2
Millionen Euro Fördermittel erhält. 511.000 Euro für Modul A für naturnahe Umgestaltung von
Grünflächen, 812.600 Euro für Modul B für Baumpflanzungen
und Verbesserung von
vorhandenen Baumstandorten. Insgesamt beläuft sich das Projektvolumen auf 1,32 Millionen
Euro, wobei 90 Prozent der Kosten durch die Förderung gedeckt
werden.
Die
Stadt Hattingen setzt die Maßnahmen Schritt für Schritt um.
Personell wurde das Projekt durch die Einstellung von Miriam Lambert
als Agrarbetriebswirtin verstärkt. Auf Basis von Bodenanalysen und
Standortbewertungen wurde für das Pflegekonzept ermittelt, welche
Pflanzenarten besonders geeignet sind und wie die Pflege langfristig
umgesetzt werden kann.
„Wir
schaffen nicht nur neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere, sondern
gestalten auch die Stadt für die Menschen lebenswerter“, so Miriam
Lambert. Bis zur ersten Blüte
braucht es allerdings Geduld. Im
Februar und März strecken die ersten Blumenzwiebeln ihre Köpfe aus
der Erde. Es wird nicht alles gleichzeitig blühen. Die
Blumenzwiebeln blühen im Frühjahr und die Blumensamenmischung im
Sommer. Bei der ersten Einsaat an der Johannessegener Straße konnte
das neue Pflegekonzept schon gut umgesetzt werden. "Nach
der Einsaat hat es sogar leicht geregnet. Der ideale Start für die
artenreiche Wiese",weiß Miriam Lambert.
Bis
zu 90 Flächen könnten auf diese Art und
Weise in der nächsten Zeit naturnah umgestaltet werden. Abhängig
ist die Umsetzung von der Saison. "Es handelt sich hauptsächlich
um Verkehrsinseln und Mittelstreifen. Zum Teil sind es sehr kleine
Flächen, auch mit Betonstein gepflasterte Inseln, die wir dadurch
entsiegeln. Dabei kommt unterschiedliches Saatgut zum
Einsatz",erklärt die Agrarbetriebswirtin.