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Hattingen/Ruhr.
Die Stadt Hattingen überträgt die Pflicht zur Sammlung und
Fortleitung des Abwassers und den Betrieb ihres Kanalnetzes an den
Ruhrverband. Das hat die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag,
11. April 2019 mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP beschlossen.
27:18 lautete am Ende das Ergebnis der namentlichen Abstimmung.
Der
Ruhrverband bietet der Stadt Hattingen 110 Millionen für die
Übertragung der Kanalnutzungsrechte. Geld, das die Stadt Hattingen
dringend braucht.„Trotz aller Bemühungen ist die Finanzlage der
Stadt äußerst prekär, Kassenkredite von rund 130 Millionen Euro
und Investitionskredite von rund 74 Millionen Euro und eine seit
Jahren bestehende bilanzielle Überschuldung - wir haben nach allen
Möglichkeiten gesucht, um aus der Schuldenfalle zu kommen“, so
Bürgermeister Dirk Glaser. „Wir rechnen nicht mehr damit, dass
Bund und Land den notleidenden Kommunen nachhaltig finanziell helfen,
trotzdem werden wir weiter dafür kämpfen. Der Zufluss von mehr als
110 Millionen Euro ist für uns ein Befreiungsschlag“, so Dirk
Glaser.
Dem
Beschluss des Stadtrates vorangegangen waren intensive Beratungen in
politischen Gremien, in den Fraktionen sowie in der Bürgerschaft.
Die Stadt Hattingen hat sich bereits seit 2016, seitdem die
rechtliche Möglichkeit zur Übertragung der Aufgaben besteht, mit
dem Thema befasst und unabhängige externe Experten, sowie andere
Kommunen zur Beratung hinzugezogen.
Bedenken
konnten durch den Austausch ausgeräumt werden. Zum Beispiel wurde
häufig die Sorge von Politikern und Bürgern geäußert, dass die
Stadt ihr „Tafelsilber“ verkaufe und dann keine
Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung des Kanalnetzes habe. Auch
wurde befürchtet, dass sich der Ruhrverband durch die Übertragung
der Rechte am Kanalnetz bereichern würde und die Gebühren
unverhältnismäßig steigen könnten.
Kämmerer
Frank Mielke stellt klar: „Bei der Kooperation zwischen Stadt und
Ruhrverband geht es nicht um den Verkauf des Kanalnetzes, sondern es
ist vorgesehen, dem Ruhrverband die Pflichten der Ableitung des
gebrauchten Wassers an die Kläranlagen zu übertragen. Der
Ruhrverband ist eine – unter anderem von 60 Kommunen getragene –
selbstverwaltete Körperschaft des öffentlichen Rechts, er ist dem
Allgemeinwohl verpflichtet und deshalb ist er kein
profitwirtschaftlich orientiertes Unternehmen, sondern im besten
Sinne ein Mitglied der kommunalen Familie." Die Stadt arbeite
schon seit vielen Jahrzehnten vertrauensvoll mit dem Ruhrverband
zusammen, der in Hattingen eine Kläranlage und viele weitere
wasserwirtschaftliche Bauwerke unterhalte.
Beide
Seiten sprechen von einem Übereinkommen, von dem beide Partner
profitieren. Die Stadt kann sich 85 Prozent ihrer Kassenkredite
entledigen und wird das enorme Zinsrisiko los. Einen besonderen
Vorteil, der überregional die Aufmerksamkeit der Finanzfachleute
erregt, hat die Hattinger Finanzverwaltung zusätzlich entwickelt.
Hattingen kann über die Zahlung der 110 Millionen hinaus weiter
profitieren und die Haushaltslage verbessern: Durch Besonderheiten
der kommunalen Buchungssystematik, die erstmals in Hattingen genutzt
werden, werden in den nächsten 20 Jahren etwa 25 Millionen Euro
zusätzlich zu den 110 Millionen als Haushaltsverbesserungen verbucht
werden können, die letztendlich auch die Bilanz entlasten.
Der
Ruhrverband profitiert ebenfalls, er kann sein Geschäftsfeld
ausweiten. Finanzielle Vorteile hat der Ruhrverband als Körperschaft
des öffentlichen Rechts und somit als „Non-Profit“-Unternehmen
durch die Kanalnetzübertragung nicht. Gebührenerhöhungen, die über
das hinausgehen würden, was die Stadt ohnehin berechnen würde, sind
ausgeschlossen. Auch die Zuständigkeit der Stadt für die Konzeption
und Planung der Abwasserableitung in Hattingen bleibt unberührt.